George Sternberg Photograph Collection

Die Edmontosaurus-Mumie

Ein Dinosaurier mit ungewöhnlicher Erhaltung und sein Weg ins Senckenberg


Vor knapp 70 Millionen Jahren starb im Gebiet des heutigen US-Bundesstaats Wyoming der Edmontosaurus, der als seltene Dinosauriermumie seit fast 100 Jahren in unserem Frankfurter Naturmuseum ausgestellt ist und den wir Edmond nennen. Wie wurde der Dino zur Mumie? Und wie kam Edmond zu Senckenberg?

Ein Dinosaurier läuft durch ein Flussbett während ihm an einer nassen Stelle plötzlich die Beine unter dem tonnenschweren Körper wegsinken. Panik ergreift das Tier, es will sich freistrampeln, gräbt sich dabei jedoch selbst ein, kann sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien und versinkt schließlich im Treibsand. So könnte es sich in etwa zugetragen haben, wie verschiedene Forscher spekulierten (Sternberg 1917, Weigelt 1927 u. Sternberg 1970).

Tod und Fossilisierung

Der Treibsand müsste dann, nachdem der Dino in ihm verschwunden war, schnell ausgetrocknet sein – ebenso der von Sand begrabene Körper. Da die Haut von Entenschnabeldinosauriern (Hadrosaurier) wie Edmond wohl sehr viele Farbstoffe enthielt, die beim Zerfall eine gewisse antimikrobielle Wirkung entfalteten (einer der Gründe, warum relativ viele Mumien von Entenschnabeldinos existieren), ist die sehr „langlebige“ Haut im umgebenden Sandstein abgeformt worden, da besonders die Haut sehr lange erhalten blieb (Manning et al. 2009). Nachdem der umgebende Sand dann möglicherweise auch durch die Abbauprodukte der Haut mineralisiert und damit auch verfestigt wurde, muss der Körper irgendwann wieder in Kontakt mit Wasser gekommen und schließlich doch von Mikroben zersetzt worden sein. Im Lauf der Zeit bekam dieser

Hohlraum ein Leck, durch das Sand und Pflanzenteile eingeschwemmt wurden. Im Laufe der Jahrmillionen verfestigte sich dann auch diese Körperfüllung zu Sandstein – und fertig war unsere „Dino-Mumie“. Dabei handelt es sich nicht um ein Exemplar, wie wir sie aus dem alten Ägypten oder aus den Anden kennen und bei der Körper und innere Organe weitgehend erhalten sind. Es ist vielmehr ein mit Sediment ausgefüllter, dreidimensionaler Abdruck der Körperoberfläche – übrig geblieben vom ursprünglichen Körper ist nur noch das Skelett.

Solche Dinomumien sind eigentlich relativ selten und Edmond war erst das zweite in dieser Weise überlieferte Exemplar, das mitsamt Abdruck der Haut geborgen wurde. Berichten zufolge waren auch schon früher solche Mumien entdeckt worden, da die Ausgräber es aber nur auf die Skelette abgesehen hatten, wurden wohl in einigen Fällen die Hautabdrücke schon im Gelände wegpräpariert. Im Jahr 1908 fand George F. Sternberg, der älteste Sohn des legendären Fossilienjägers Charles Hazelius Sternberg, in Ablagerungen der späten Kreidezeit (Lance-Formation) im Niobrara County im US-Bundesstaat Wyoming die sehr gut erhaltene Mumie eines Edmontosauriers, die als erste en bloc geborgen und an das American Museum of Natural History in New York verkauft wurde. Dort ist sie noch heute ein Glanzstück der umfangreichen Dinosaurierausstellung.

Edmond Bilder
Das Grabungs­team von 1910 mit der Edmontosaurus­-Mumie.
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Blick auf die Grabungsstelle in der Umgebung des Mün­dungsgebiets des South Schneider Creeks im Jahr 1910.

Entdeckung und Bergung

Edmonds Reste lagen für Millionen von Jahren wohlbehütet in den Sandsteinen der Lance-Formation, bis Anfang September 1910 der damals 24-jährige Charlie (Charles Mortram) Sternberg einen Teil der Wirbelsäule und ein Hinterbein des Dinos entdeckte, die aus einem Sandstein herausragten (Sternberg 1911 u. 1917). Die Fundstelle liegt in der Umgebung des Quellgebiets des South Schneider Creek, ebenfalls im Niobrara County im US-Bundesstaat Wyoming. Charlie hat hier nach Fossilien gesucht, nachdem sein Vater Charles Hazelius Sternberg im Jahr vorher in der Nähe einen Triceratops-Schädel entdeckt hatte.

Das Grabungsteam im Jahr 1910 bestand aus Charles Hazelius Sternberg, seinen Söhnen George Fryer (1883–1969), Charles Mortram (1885–1981) und Levi (1894–1976) sowie Lon A. Galbreath vom nahegelegenen Warren Postoffice (Sternberg 1911 u. 1917).

Nachdem die verschiedenen Blöcke, in denen die Mumie eingegipst wurde, also fertig für den Transport waren, mussten sie auf eine Pferdekutsche verladen und zur nächsten Bahnstation in Edgemont in South Dakota, etwa 75 Meilen (120 km) vom Fundort entfernt, transportiert werden. Man kann sich kaum vorstellen, wie man damals diese bis zu fünf Tonnen schweren Blöcke ohne motorgetriebene Hilfsmittel auf einen Wagen geladen hat, aber Sternberg fand eine einfache, aber geniale, Lösung, indem er Pappelstämme als Hebel und Widerlager verwendete und so die tonnenschweren Teile auf den Wagen bugsierte.

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Abenteuerliche Bedingungen: Bergung der Funde in steilem Gelände mit zwei Pferdestärken.
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Levi Sternberg …
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.. beim Eingipsen von Dinosaurierknochen.
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Beim Verladen der Mumie (Sie ist zum Schutz vor Beschädigung in ein Gipskorsett verpackt) auf einen Holzwagen.

Exkurs

Ausgrabung Edmonds 1910

Charles Mortram („Charlie“) fand im Jahr 1910 das bemerkenswerte Fossil. Sein Vater Charles Hazelius Sternberg, einer der erfolgreichsten Fossilienjäger seiner Zeit, beschrieb Fund und Ausgrabung der Mumie wie folgt:

„1910 war Charlie wieder bemerkenswert erfolgreich. Nahe dem Quellgebiet des South Schneider Creeks fand er ein besseres Exemplar als das berühmte, von Professor Lull erwähnte. Wie er das Exemplar fand, ist es wohl wert, erzählt zu werden. Er entdeckte einen großen Teil des Schwanzes, der aus einer rundlichen Masse an Sandstein herausragte; ein anderer Abschnitt war in dem Graben darunter. Zu dieser Zeit lagerte ich auf der anderen Seite des Cheyenne River und es dauert fast den ganzen Tag, um mit Charlie zurückzukehren, der in unserem Einspänner zu mir kam. Es war ein bitterkalter Abend als wir die Lokalität erreichten und anstatt zu schlafen, machten wir erst ein großes Feuer aus toten Pappelästen. Und als wir fertig waren, um das Feuer zu verlassen und zu Bett zu gehen, rechten wir die Glut weg und rollten unsere Betten auf dem warmen Grund darunter aus. Wir waren unter einer schützenden Steilwand, die uns vor dem Wind schützte. Auch am nächsten Tag wehte der Wind stürmisch und wir standen, unsere Pickel schwingend, auf der Kuppe, um die Schicht zu erreichen, auf der das Skelett in voller Länge ausgestreckt dalag.

Unsere Augen füllten sich schnell mit dem Sand, den wir mit un- seren Pickeln aufwirbelten; aber unser Enthusiasmus kannte keine Grenzen, und ich glaube, an dem Abend kamen die anderen Jungs, George und Levi, mit der Ausrüstung, schlugen ein Zelt auf und kochten uns in seinem Schutz eine gute Mahlzeit. Es war jedoch eine große Unternehmung, den Dinosaurier aus dem Aufschluss zu kriegen und ihn zur Eisenbahn nach Edgemont, South Dakota,

75 Meilen entfernt, zu schaffen. Es dauerte zweieinhalb Monate unermüdlicher Anstrengung. Das Skelett war offensichtlich nach seinem Tode in Treibsand versunken, da die Vorderbeine entlang der Seiten des Körpers nach oben erhoben und nach hinten gedreht waren, und so die perfekt erhaltenen Netze zeigten, die sie bedeckten. Der Kopf und der Hals waren zu ihrer vollen Länge ausgestreckt, während die Hinterfüße nach unten zeigten. Das Tier lag auf seiner Ventralseite mit ausgestreckter Bauchdecke. Der Schädel war vier Fuß lang. Rumpf und Kopf 12 Fuß und 2 Zoll und der Schwanz 5 Fuß und 6 Zoll. Der komplette Körper war mit Haut bedeckt, die jedoch nicht direkt an den Knochen hing wie in dem Exemplar im American Museum, das George 1908 gefunden hatte, sondern wie mit runden Muskeln bedeckt und als ob der Sand den Platz des ursprünglichen Fleisches eingenommen hätte. Aufgrund der Größe des Exemplars, und da ich entschlossen war, jeden Fetzen der Haut zu erhalten, waren die Teile, in die wir es zerlegten, sehr schwer, besonders die des Rumpfes, von denen eines um die 3500 Pfund wog. Es bedurfte beachtlicher Fähigkeit und vereinter Kraft von uns Vieren, um diese riesigen Massen an Stein und Knochen zu handhaben, vor allem auch weil wir keinen Flaschenzug hatten. Wir fanden jedoch heraus, dass wir mit ein paar Pappelstämmen als Hebel und Blöcken aus denselben als Widerlager die Teile etwas anheben konnten, und dann, während die Jungs es ein paar Zoll über dem Grund halten konnten habe ich Sand darunter geschaufelt und mit dem Griff der Schaufel festgestampft. Natürlich, wenn sie losließen, um einen neuen Ansatz zu finden, sank es wieder tief in den Sand, aber wir fanden, dass wir einen oder zwei Zoll gewonnen hatten. So den ganzen Tag schuftend hoben wir nicht nur ein Teil, das 3500 Pfund wog, vier Fuß in die Luft, sondern bewegten es auch einige Fuß auf die Seite, damit wir unseren Wagen darunter fahren und beladen konnten. Ich kam dann zu dem Schluss, dass, wenn vier Mann mit nichts mehr als Stämmen, Blöcken und Sand solch eine große Masse anheben und handha- ben konnten, die alten Ägypter mit Millionen von Arbeitern und unendlichen Mengen von Sand mit nichts mehr als solch einfachen Werkzeugen die Pyramiden errichtet haben konnten.

In Kisten verpackt wog das Exemplar fast 10000 Pfund. Ich schickte es zu Dr. Drevermann vom Senckenberg Museum in Frankfurt am Main. Ich werde niemals vergessen, welche Anstrengungen ich unternahm, um ihn dazu zu bewegen, dieses Exemplar aufzugeben oder ein anderes zu nehmen. Ein oder zwei Tage nachdem ich erfahren hatte, dass er mein Angebot angenommen hatte, erhielt ich ein Angebot von Dr. Brock vom Victoria Memorial Museum. Er wünschte, dass ich das Exemplar in Ottawa montieren sollte, und er bot mir den doppelten Preis, den ich von Senckenberg für das unmontierte Exemplar kriegen sollte. Aber es überquerte den Atlantik. Die letzte Nachricht, die ich von ihm erhielt, bevor dieser schreckliche Krieg alle Kommunikation abschnitt, war, dass der Kopf präpariert sei und dass es der beste bisher bekannte sei.“

Präparation und Ausstellung

Als Sternberg im Jahr 1911 in einem kurzen Aufsatz über seine letztjährige Geländesaison berichtete, hatte er noch keinen Käufer für die Mumie gefunden. Er muss das Stück aber mehreren Museen angeboten haben, denn neben Fritz Drevermann, damals Leiter der Paläontologischen Abteilung am Senckenberg-Museum, hatte auch Reginald W. Brock, Direktor des Geological Survey of Canada, sein Interesse an der Mumie bekundet. Brock, der die Mumie für das gerade im Aufbau befindliche Victoria Memorial Museum in Ottawa erwerben wollte, bot Sternberg wohl sogar das Doppelte wie Drevermann. Allerdings ließ sich Drevermann, der als Erster zugesagt hatte, nicht erweichen, sodass Sternberg das Stück schließlich für 2500 Dollar (ca. 10000 Reichsmark) an Senckenberg verkaufte – was nur dank der großzügigen finanziellen Unterstützung Arthur von Weinbergs möglich war.

Die Mumie kam dann im Laufe des Jahres 1911 nach Frankfurt (Anonymous 1912). Da die Präparatoren aber noch mit einem Triceratops-Schädel beschäftigt waren, den Senckenberg im Jahr zuvor von Sternberg gekauft hatte, konnte die Präparation der Mumie erst im Jahr 1912 beginnen und – wohl auch aufgrund kriegsbedingter Verzögerungen – erst 1920 abgeschlossen werden. Bemerkenswert ist, dass die Mumie weltweit eines der ersten größeren Fossilien war, bei deren Präparation Druckluftwerkzeuge eingesetzt wurden. Diese Methode wurde ab 1914 von Chefpräparator Christian Strunz in Frankfurt entwickelt und es zeigte sich schnell, dass sie bei gleicher Qualität viel schneller war als Hammer und Meißel (Drevermann 1922).

Nach Edmond wurden noch zahlreiche weitere Dinomumien ausgegraben, viele davon ebenfalls von C. H. Sternberg und seinen Söhnen. Aber auch aus verschiedenen anderen Regionen Nordamerikas kennt man inzwischen exzellent erhaltene Dinosauriermumien, die mit modernen Methoden erforscht wurden und werden, wie etwa die 2004/2005 in North Dakota ausgegrabene Edmontosauriermumie „Dakota“. Ihre Entdeckung erregte großes mediales Echo, und die Fund- und bisherige Forschungsgeschichte ist in mehreren erfolgreichen populärwissenschaftlichen Büchern für Kinder und Erwachsene erzählt worden (Manning 2008 u. 2009).

pm Magen ohne Inhalt 3.4.2020
Eines der Glanzstücke unseres Frankfurter Naturmuseums: die Dinosauriermumie Edmond.

Literatur

  • Anonymus (1912): Museumsbericht über das Jahr 1911. Paläontologisch-geologische Sammlung. – Ber. Senckenberg. Naturf. Ges. 43: 48–53. • Drevermann, F. (1922): Einige Verbesserungen bei der Präparation von Fossilien. – Paläont. Z. 5: 100–105. • Manning, P. (2008): Grave Secrets of Dinosaurs. – National Geographic.
  • Manning, P. (2009): Die Entdeckung der Dinomumie. – Verlag Loewe. • Manning, P.L., Morris, P. M., McMahon, A., Jones, E., Gize, A., Macquaker, J. H., Wolff, G., Thompson, A., Marshall, J., Taylor, K. G., Lyson, T., Gaskell, S., Reamtong, O., Sellers, W. I., van Dongen, B. E., Buckley, M. & Wogelius, R.A. (2009): Mineralized soft-tissue structure and chemistry in a mummified hadrosaur from the Hell Creek Formation, North Dakota (USA). – Proc Biol Sci. 276 (1672): 3429–3437.
  • Sternberg, C. H. (1911): Still in the Laramie country, Converse County, Wyoming. – Trans. Kansas Acad. Sci. 23–24: 219–223
  • Sternberg, C. H. (1917): Hunting dinosaurs in the Bad Lands of the Red Deer River, Alberta, Canada. – Lawrence Kansas.
  • Sternberg, C. M. (1970): Comments on Dinosaurian Preservation in the Cretaceous of Alberta and Wyoming. – Publ. Palaeont. 4: 1–9. • Weigelt, J. (1927): Rezente Wirbeltierleichen und ihre paläobiologische Bedeutung. – Max Weg; Leipzig.

Der Autor

Prof. Dr. Dieter Uhl leitet seit 2013 die Abteilung Paläontologie und Historische Geologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Sein wissenschaftliches Interesse gilt Paläoklima- und Paläoumweltrekonstruktionen mithilfe fossiler Pflanzen. Ein Schwerpunkt bilden Vegetationsbrände im Jungpaläozoikum und Mesozoikum.