Mitreißend bereits sein erster Auftritt! Seine Mitbewerber um den Posten des Generaldirektors erscheinen blass gegen Volker Mosbrugger. Als Paläontologe entwirft er gleich zum Auftakt das große Szenario, zeigt schon 2005 die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fachgebieten der Naturforschung, weist hin auf Interdependenzen zwischen Natur und Gesellschaft. Zugleich erkennt er das Trennende und die gelegentliche, gegenseitige Ignoranz zwischen Wissenschaft & Gesellschaft. Sein Eintreten in die Bürgergesellschaft Senckenberg als deren Generaldirektor ist daher nur konsequent. Hier ließe sich zusammenfügen, was zusammengehört, von Anfang an. Auch scheint ihm unkonventionelles, schnelles, strategisches Wachsen hier wahrscheinlicher als in vergleichbaren Instituten.
Bereits bei einem seiner ersten Symposien verdeutlicht er seine visionäre Sichtweise, als er beispielhaft, weit vor dem Trend, auf den absurd hohen Verbrauch von virtuellem Wasser in Nahrungsmittel- oder Textilproduktion hinweist. Schon früh lässt sich erahnen, wohin sich Senckenberg unter seiner Führung entwickeln könnte. Hellwach und stets auf dem Sprung, ehrgeizige Ziele und stürmisches Wachstum im Kopf, das Unmögliche denken und dann realisieren. Da ist die Zusammenführung verschiedener Institute und Standorte, die Stärkung der Marke Senckenberg, der Spatenstich zu Masterplan I, die Gründung des S-BiKF, der Aufbau eines Direktoriums. Die rasch wachsende Komplexität verlangt nach Professionalisierung von Strukturen und Prozessen, eigentlich nichts für seinen so unruhigen Geist.
Die administrative Leitung gewinnt an Bedeutung und es gilt wie zuvor: Transparenz schafft Vertrauen. Wie kann man mit hilfreichen Kompetenzen zur Entlastung der zunehmend komplexer werdenden Administration beitragen, damit Volker Mosbrugger und seine Kolleg*innen Zeit für die brennenden wissenschaftlichen Fragestellungen gewinnen? Der Jurist Holger Alfes ist bereits an Bord. Mit Bernd Loewen und Werner Brandt können weitere Experten gewonnen werden, um die Finanzen, die großen Bauvorhaben, die SAP-Einführung, die Digitalisierung aus Sicht des Verwaltungsrats professionell zu begleiten.
Das Kuratorium wird um kluge und kritische Köpfe ergänzt, und durch neue Dialogformate wird die gesellschaftliche Relevanz der Senckenberg-Forschung in die breite Gesellschaft hineingetragen. Ziel dabei ist es, Nachdenklichkeit zu erzeugen und einen Sinneswandel in den Führungsetagen entscheidender Konzerne zu beschleunigen. Nichts davon hat heute an Aktualität verloren.
Viel ist gelungen in den weit mehr als achthundert gemeinsamen Besprechungen, Gremiensitzungen, Telefonaten, zahlreichen Spaziergängen und auch vergnügten Feiern! Vielfältige Kompetenzen und Charaktere, die wir zusammenführten, haben dazu beigetragen. Mit manchmal rauchenden Köpfen ist im vertrauensvollen Miteinander ein WIR gewachsen. Dies hat bewirkt, dass mit visionärer Willensstärke Senckenberg in 15 Jahren zu einer international bedeutenden Institution gewachsen ist.
Nun aber heißt es, den Stab an Nächste zu übergeben. Eine Nachfolge ist dann gelungen, wenn Erfolge nachhaltig wirken, wenn Standards auf den Prüfstand kommen und wenn Raum für Neues bleibt. Aktuell findet all das statt in einer unruhigen Zeit und einer immer komplexer werdenden Welt. Blaupausen dafür fehlen. Mit Corona hat allerdings die Wissenschaft eine neue gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Von ihr werden jetzt Lösungen gefordert.
Durch Vorbilder wie die Senckenberg-Preisträger Reinhold Messner und Alexander Gerst wissen wir, dass der eigene, innere Kompass in Krisenzeiten eine wichtige Orientierung bietet. Darauf aufbauend tragen die Talente und Erfahrungen anderer dazu bei, wirkungsvoll voranzukommen. Koordinierende Kräfte sind nötig, um in unübersichtlichem Gelände gemeinsam einen zielführenden Weg zu finden. Persönlichkeiten sind erforderlich, um ihn einzuschlagen. Volker Mosbrugger ist auf diesem Weg 15 Jahre erfolgreich vorangeschritten. Der Gruppe der Wegbereiter wird er mit seiner Expertise lebenslang angehören. Klement Tockner übernimmt jetzt als Gewässerökologe die Führung und wird weitere Aspekte, Impulse und seine Netzwerke einbringen. Mit seinem Gespür für den Zustand der Natur werden wir gemeinsam Wissenschaft nutzen, um enkelfähig zu werden.
Die Autorin
Dr. h. c. Beate Heraeus, Diplom-Kauffrau, betrachtet als Familienunternehmerin strategisches Vorgehen und wohlüberlegte Personalentscheidungen als die Kernstücke erfolgreichen Handelns. Erfahrungen sammelte sie im eigenen und in ihr über Mandate anvertrauten Familienunternehmen. Dabei erscheinen ihr der Zusammenhalt der Gesellschafter sowie die Nachwuchsförderung wichtige Voraussetzungen für gutes Gelingen. Seit 2008 ist sie Vorstandsvorsitzende der Heraeus Bildungsstiftung, seit 2012 Präsidentin der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Mit den ihr wichtigen Themenfeldern Umwelt und Bildung hat sie die Engagements ihrer drei Töchter bereits nachhaltig geprägt. Darüber hinaus ist sie in zahlreichen Gremien und Beiräten tätig und berät deutschlandweit Familienunternehmen.