Edmonto 3d Modell
Das virtuelle Skelett hat nur noch 62 Knochen, aber die reichen für alle Bewegungen. Linke und rechte Seite haben zur besseren Übersicht unter­ schiedliche Farben.

Wie unser Edmontosaurus wieder laufen lernte


Jetzt ist es soweit: Der Edmontosaurus läuft! Doch bis das Tier auch echt aussah und seine Bewegungen geschmeidig wirkten, waren etliche Bearbeitungsschritte nötig. Manche bereiteten den Grafiker*innen und Paläontolog*innen Kopfzerbrechen.

Bevor wir unseren Dinosaurier in Bewegung setzen können, müssen wir mithilfe eines 3-D-Grafikprogrammes ein digitales 3-D-Modell des Tieres erstellen. Das sieht aus wie ein feines Netz und da wir 3-D-Grafiker*innen gerne englische Begriffe verwenden, nennen wir es Mesh. Um ein lebendig anmutendes Abbild zu schaffen, braucht man aber nicht nur die Knochen, sondern vor allem auch Weichteile, also Muskeln, Fettgewebe und Haut. Meist sind sie nicht fossil überliefert, doch bei unserer „Mumie“ Edmond ist das anders: Muskeln und Fettgewebe sind zwar nicht erhalten geblieben, hingegen sind Hautabdrücke auch nach Jahrmillionen noch zu erkennen.

Edmonto 3d Modell
Das digitale Hautgewebe (Mesh) unseres Sauriers. Die Maschen werden Polygone genannt. Unser Mesh hat stattliche 290.360 Polygone. Details im Gesicht benötigen feinere Maschen.

Digitale Falten und Hautschuppen

Dutzende Falten und Tausende kleiner Hautschuppen arbeiten wir also in das digitale Gewebe ein. Ansonsten bekommt unser Edmontosaurus eine Gestalt, die neuesten Forschungen entspricht: nicht mehr so schwerfällig wie in älteren Vorstellungen, mit kräftigen Muskeln an den richtigen Stellen, Fettpolstern wo sie hingehören. Nachdem diese Arbeit getan ist, sieht unser Edmontosaurus im Grunde ein bisschen aus wie eine Kuh – allerdings eine vier Meter hohe.

Edmonto 3d Modell
Das Mesh wird mit den Knochen verbunden. Der Grafiker spricht von rigging. Das bedeutet immer Hand­arbeit und geht über Stunden.

Welche Farbe für die Haut?

Die Farbpigmente der Saurierhaut sind leider nicht erhalten, darum gibt es hier Gestaltungsspielraum. Schließlich färben wir das Tier so ein, wie es seiner Lebensweise und Umgebung dienlich war: als Pflanzenfresser eher unscheinbar, wohl tarnfarben, mit charakteristischem Muster wie es sich für einen Saurier gehört (das sich aus der Verteilung verschieden großer Hautschuppen ergibt), freundlich bernsteinfarbenen Augen, denn als Herdentier war er wohl von warmherzigem Gemüt. Einige Tage später sieht das Mesh schon eher aus wie ein Saurier. Bewegen, oder gar laufen kann es aber noch nicht. Dazu müssen wir es zunächst mit einem virtuellen Skelett verbinden. Die Knochen sind im Idealfall genauso lang wie die von den Paläontolog*innen sorgfältig vermessenen Originalfossilien.

Edmonto 3d Modell
Größe und Form der Schuppen entsprechen möglichst genau dem Originalfossil
Edmonto 3d Modell
Fertig! Edmontosaurus ist wiederauferstanden und macht sich auf den Weg aus der Kreidezeit bis ins Holozän.

Datenflut versus Rechenzeit

Wie man schnell sieht, hat ein echtes Skelett viel mehr Knochen als unseres im Computer. Das ist ein Muss, denn wollte man alle Knochen eines echten Skeletts virtuell bewegen, würde die Laufanimation Monate dauern. Eine weitere starke Reduzierung der anatomischen Verhältnisse finden wir bei den Knorpeln, Sehnen, Muskeln oder dem Fettgewebe: Auf all das wird verzichtet. Einiges kann der Computer später simulieren, damit die Bewegungen nicht zu hölzern aussehen. Linker Vorderarm nach vorne, rechtes Hinterbein ebenso, die andere Seite umgekehrt. Was zunächst mechanisch wirkt, wird durch zeitlichen Versatz, Verlagerung des Gleichgewichts, Krümmung von Körpermitte und Schwanz ordentlich ins Wanken gebracht. Kopf, Hals und Fettgewebe wackeln ein wenig nach, die sogenannte Secondary Animation. Dieser Prozess kann leicht einen ganzen Tag dauern. Der*die Animator*in orientiert sich am Filmmaterial rezenter Lebewesen, das Internet bietet reichhaltig Zeitlupenaufnahmen. Nachdem wir die Änderungs- wünsche der Paläontolog*innen eingearbeitet haben, läuft Edmontosaurus in leichtem Schritt über den Bildschirm. Sieht alles sehr flüssig und harmonisch aus. Typisch Saurier?

Der Autor

Dirk Baum studierte Grafikdesign in Darmstadt. Es folgten 20 Jahre 3D-Animation für Computerspiele und immer wieder Rekonstruktionen von Fossilien für Senckenberg. Kurz nach der Gründung der Grafikagentur „Die Infografen“ kam ein Herzensprojekt: die Wiederauferstehung der Edmontosaurus-Mumie.