RAGERYX SCHMIDI
Neu beschriebene Messel-Art ehrt Dietmar Schmid
Eine Schlange aus der Grube Messel zeigt uns, dass auch kleine kaltblütige Wirbeltiere im Eozän von Nordamerika nach Europa wanderten. Und ihr Körperbau weist sie als Zwischenstufe der Evolution zu jenen Schlangen aus, die im Sand vergraben leben. Aufregende Erkenntnisse, die am Computertomografen gemacht wurden – und ein willkommener Anlass, sie nach dem langjährigen verdienten Senckenberg-Präsidenten Dietmar Schmid zu benennen.
Im Eozän gab es lebhafte Beziehungen zwischen Nordamerika und Europa. Die Temperaturen waren hoch, es war sehr warm und die Eiskappe auf Grönland existierte noch nicht. Über diese nördliche Route wanderten viele Arten in beide Richtungen und krempelten die jeweils heimischen Ökosysteme um. Dieser Austausch führte bis zum Ende des frühen Eozäns dazu, dass sich die Säugetiergemeinschaften auf den jeweiligen Kontinenten einander anglichen.
Auch kleine Wirbeltiere wanderten zwischen den Kontinenten
In Forschungskreisen wird zunehmend klar, dass durch diesen Austausch auch bei den kaltblütigen Wirbeltieren eine Gemeinsamkeit der Faunen entstand, die in der Kreidezeit unvorstellbar gewesen wäre (Smith et al. 2018). Nordamerikanische Gruppen wie Krustenechsen, Schleichen und Basilisken tauchen in Europa auf. Auch Einwanderungen aus anderen Gebieten sind in Europa belegt, wie etwa Krokodilschwanzechsen aus Asien (Smith 2017) und, wie erst vor Kurzem publiziert, Boas aus Südamerika (Scanferla & Smith 2020).
Eine weitere Schlange aus der 48 Millionen Jahre alten Grube Messel wird gerade beschrieben und zu Ehren des von 2008 bis 2012 amtierenden Präsidenten der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Dietmar Schmid benannt (Smith & Scanferla, im Druck). Sie heißt Rageryx schmidi. Der Gattungsname ehrt den verstorbenen Experten für fossile Schlangen Jean-Claude Rage, wobei „eryx“ der griechischen Mythologie entstammt und für Sandboas häufig verwendet wird.
Schädel zeigt Verwandtschaft an Rageryx schmidi war mit ihrer Gesamtlänge von 52 Zentimetern eine kleine Art. Das Fossil ist fantastisch erhalten, lediglich ein paar kleine Abschnitte der Wirbelsäule fehlen. Wie viele kleine Schlangen war sie wohl nicht in der Lage, große Beutetiere zu verschlingen, dazu passt der Schädelbau nicht. Sie ernährte sich eher von Wirbellosen und gelegentlich kleinen Wirbeltieren wie Lurchen. Merkmale des relativ ursprünglichen Schädels zeigen, dass Rageryx schmidi nicht mit altweltlichen, sondern mit neuweltlichen Sandboas verwandt ist, wie etwa der Gummiboa Charina bottae.